Nikolaiviertel persönlich: Beate Bahmann und der Erzgebirgische Weihnachtsmarkt

05. Dezember 2025

Von Schwibbögen und Nussknackern: wir haben uns mit Beate Bahmann über traditionelle Erzgebirgische Handwerkskunst unterhalten.

Könnte man sagen, daß bei Ihnen eigentlich immer Weihnachten ist?

Ja und nein: Osterhasen haben wir nämlich auch das ganze Jahr über und wir haben auch ganz viele neutrale Sachen, wie z.B. die Räuchermännchen. Aber klar, wir heissen „Erzgebirgischer Weihnachtsmarkt“ und da ist grad jetzt der Fokus natürlich auf Weihnachten.

Seit wann gibt es Ihr Geschäft?

Bis 2009 waren wir immer mit einem Stand auf den Weihnachtsmärkten aber damals nur mit Plauener Spitze. Das war dadurch rein saisonal und die Leute waren immer ganz traurig, daß sie uns nur zu wenigen Gelegenheiten „erwischt“ haben. 2009 haben wir uns dann entschlossen, ein Ladengeschäft daraus zu machen – dann natürlich auch mit einem breiteren Angebot – und haben unser Geschäft am Gendarmenmarkt eröffnet. 2016 kam dann das Geschäft hier im Nikolaiviertel dazu.

Seit wann kennen Sie das Nikolaiviertel und was zeichnet es für Sie aus?

So richtig kennengelernt habe ich das Viertel nach 2009, als ich nach Berlin gezogen bin und viel hier in Mitte unterwegs war. Ich finde die vielen inhabergeführten Geschäfte sind eine Besonderheit und diese Mischung findet man sonst nirgends in der Stadt. Es gibt halt keine großen Ladenketten und das finde ich immer noch super. Dann die vielen Museen und die schönen Restaurants, wo man im Sommer ohne Verkehrslärm draußen sitzen kann, es ergänzt sich hier einfach alles sehr gut.

Ihre Familie kommt aus Sachsen, richtig?

Ja genau, aus dem Vogtland und daher hatten wir auch schon tolle Kontakte zu vielen Herstellern. Und solange ich denken kann, kamen von Freunden aus Berlin die Fragen, ob wir ihnen nicht eine Pyramide mitbringen oder dieses oder jenes besorgen könnten. Da lag es dann nahe, das zum Full-Time-Job zu machen.

Apropos Hersteller: mit „Fabrikware“ hat das ja nichts zu tun…?

Es gibt natürlich große, weltweit aktive Firmen, wie Wendt & Kühn mit ihren Figuren oder größere Betriebe, wo auch CNC-Maschinen oder Laser stehen, z.B. um Teile vorzubereiten aber das Zusammensetzen und die Bemalung, das passiert dann trotzdem von Hand. Aber wenn man in der Gegend um Seiffen und Olbernhau unterwegs ist, dann findet man dort ganz viele kleine Manufakturen, die ihre Schnitzereien herstellen – und ganz viele machen das schon in der X-ten Generation. Von denen haben wir sehr viele Produkte hier im Geschäft und das ist natürlich reine Handarbeit und nicht „Made in China“. Aber die Kunden wissen Qualität auch wirklich zu schätzen und die Mühe, die in einem Produkt steckt – wenn wir mal als Beispiel einen Nussknacker nehmen: das sind ungefähr 160 Arbeitsschritte, bis der fertig ist.

Das was wir heute Erzgebirgische Volkskunst nennen, wie weit geht das zurück?

Mindestens bis ins 17. Jahrhundert. Holzhandwerk gab es natürlich schon vorher aber diese typischen Schnitzarbeiten mit Bergmännern, Weihnachtsengeln, Nussknackern usw. gehen darauf zurück, daß die Bergarbeiter auch irgendwie Geld verdienen mussten, wenn im Winter alles hartgefroren war und man nicht unter Tage arbeiten konnte.

Hat das auch etwas mit dem Schwibbogen zu tun?

Ja, der symbolisiert ja den Eingang zum Stollen und hat sieben Lichter. Die stehen für die sieben Tage der Woche. An dem Bogen über dem Stolleneingang hing am Montag eine Grubenlampe, am Dienstag zwei und so weiter. Das hat die erzgebirgischen Bergarbeiter jeden Tag begleitet. Und irgendwann kam jemand auf die Idee, so etwas „in klein“ aus Holz zu schnitzen, damit es sich die Leute auch ins Fenster stellen konnten. Tatsächlich auch aus praktischen Gründen, weil so richtige Straßenbeleuchtung gab es ja damals nicht, da waren Kerzen in den Fenstern wirklich sinnvoll, damit die Leute in der Dunkelheit sicher nach Hause kamen.

Woher kommen die Kunden und wohin liefern Sie?

Erstmal gibt es in Berlin ja eine Menge Sachsen. Viele von denen kommen nicht mehr regelmäßig in die alte Heimat und brauchen schlicht Nachschub. Dann gibt es viele Berliner, die sich haben anstecken lassen – gerade was die traditionellen Weihnachtsartikel angeht. Und dann natürlich Leute aus aller Welt. Manche kaufen einen Nussknacker als reines Souvenir, als „typisch deutsche Handwerkskunst“. Dann gibt es aber auch viele Amerikaner mit deutschen Vorfahren, deren Oma z.B. eine Pyramide hatte und die diese Traditionen gerne weiterführen. Aber ja, liefern tun wir tatsächlich weltweit und letzte Woche haben wir zum Beispiel ein Paket nach Australien geschickt.

Gibt es ganzjährige Bestseller und gibt es Sammler?

Die Leute lieben Nussknacker und die werden das ganze Jahr über gekauft. Die gibt es ungefähr zwischen 7 und 70 cm groß und in unzählige Varianten. Manche Leute kaufen auch einen Nussknacker, weil die kleine Tochter jetzt Ballett tanzt und deshalb für Nussknacker schwärmt. Oder die Wendt & Kühn Engel, dafür gibt es auch einen riesigen Sammlermarkt u.a. weil es dort auch jedes Jahr neue Figuren gibt. Toll ist da auch die Idee mit dem „Bunten Elf-Punkte-Engel“. Das ist eine limitierte Auflage und pro verkaufter Figur gehen vier Euro an die World Childhood Foundation von Königin Silvia von Schweden, zum Schutz von Kinderrechten. Das ist ein schönes Geschenk, einmalig und man tut damit gleichzeitig etwas Gutes.

Erzgebirgischer Weihnachtsmarkt im Nikolaiviertel
Propststraße 8 • 10178 Berlin
Website: das-sachsenhaus.de • E-Mail: info@das-sachsenhaus.de • Telefon: (030) 2411229